Seelisch kommt der Mensch als Gruppenwesen zur Welt; erst Jahre später lernt er, sich als Individuum zu verstehen. (Heribert Knott)
Berufsverband der Approbierten Gruppenpsychotherapeuten

Erster Fachkongress des BAG 2004

Hier finden Sie Material vom ersten Fachkongress des BAG. Er fand vom 13. - 14. März 2004 in der Tagungsstätte der Katholischen Akademie in Berlin statt unter dem Thema: Unterschiedliche Anwendungen psychodynamischer Gruppenpsychotherapien und deren Bewertung.

Veranstalter war der BAG in fachlicher Kooperation mit den Sektionen Analytische Gruppenpsychotherapie, Klinik und Praxis und Intendierte Dynamische Gruppenpsychotherapie des DAGG und mit der DGPT.

Unterschiedliche Anwendungen psychodynamischer Gruppenpsychothera-pien und deren Bewertung.

Zum ersten Fachkongress des BAG vom 13. - 14. März 2004 in der Katholischen Akademie in Berlin fanden sich Kollegen mit unterschiedlichen Erfahrungshorizon-ten zu zusammen. Sie nutzten die Chance zum Austausch unterschiedlicher wis-senschaftlicher Standpunkte. Dabei orientierten sie sich an folgenden Fragen:

 

  • Wirkt sich die aus der Einzelpsychotherapie bekannte unterschiedliche Gewich-tung von tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Einzelpsychotherapie auch in der Gruppenpsychotherapie aus?

  • Welche Bedeutung hat insbesondere die analytische Gruppenpsychotherapie: Ist sie auf dem Rückzug?

  • Gibt es unterschiedliche Gruppenpsychotherapien in der ambulanten und stationä-ren Anwendung und auch innerhalb dieser Anwendungsformen selber? Worin be-stehen sie und wie sind sie begründet? Welche Bedeutung haben sie?

  • Wie beeinflusst die stationäre Anwendung der Gruppenpsychotherapien die ambu-lante und umgekehrt?

 

Falls Sie an einzelnen Vorträgen interessiert sind, stehen sie hier zum Herunterladen bereit. Nach der Aufzählung der Dateien finden Sie hier auch den Kongressbericht.

 

Dann hier die PDF-Dateien:

<link fileadmin content dokumente>01_Begrüßung_Heribert Knott

<link fileadmin content dokumente>02_Ablauf der Tagung

03_Referenten_2004

<link fileadmin content dokumente>04_Volker Tschuschke Langzeit- versus Kurzgruppenpsychotherapie Anforderungen und Möglichkeiten

<link fileadmin content dokumente>05_Felix de Mendelssohn Gruppenpsychoanalyse und psychoanalytische Therapie im Gruppensetting  -  ein kleiner Unterschied

<link fileadmin content dokumente>06_Hanna Reinhardt-Bork Regression in tiefenpsychologisch fundierter und analyti-scher Gruppentherapie

<link fileadmin content dokumente>07_Rolf Haubl Reinheit und Gefährdung - Gruppenanalyse auf dem Weg zur Reali-tätstauglichkeit

<link fileadmin content dokumente>08_Andreas Dally Die Psychoanalytisch-interaktionelle Gruppenpsychotherapie im ambulanten und stationären Rahmen

<link fileadmin content dokumente>09_Paul Janssen Gruppenpsychotherapie in der Klinik

 

 

Heribert Knott, der damalige Vorsitzende des BAG verfasste nach dem Kongress folgenden Bericht:

 

Bericht vom ersten Fachkongress des BAG 2004

 

Zur Erinnerung möchte ich kurz auf die Frage eingehen, warum der BAG als Berufs-verband einen Fachkongress ausrichtet. 

 

Am Anfang stand eine berufspolitisch strittige Frage: soll man im Bereich der psycho-dynamischen Gruppenpsychotherapien dieselben Unterschiede machen wie in der Einzelpsychotherapie? In der Einzelpsychotherapie ist die Frage geklärt (ich gehe hier nicht auf die historische Entwicklung ein): Unterschiedliche Handhabung der Regres-sion und daraus folgend eine unterschiedliche Technik machen eine Differenzierung zwischen tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Einzelpsychotherapie plau-sibel. In einer psychodynamisch geleiteten Gruppe lässt sich die Regression nicht de-zidiert steuern; infolgedessen hatte eine Arbeitsgruppe (an der z.B. der jetzige Vor-stand nicht teilnahm) schon vor der Gründung des BAG beschlossen, dass zur Förde-rung der Gruppenpsychotherapie in der ambulanten Versorgung dieser für Gruppen nicht plausible Unterschied entfällt und daher eine Angleichung der Kontingente erfol-gen sollte.

 

Berufspolitische Argumente vor allem im Zusammenhang mit der Angst vor einer Ver-ringerung der Kontingente für die analytische Einzelpsychotherapie führten dazu, dass die DGPT massiv intervenierte, die DGPT, die für Gruppenpsychotherapie ja ei-gentlich gar kein Mandat hat.

 

Im September 2001 – einige unter Ihnen erinnern sich sicher – haben wir zu dieser Frage eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Dort entstand die Idee, die zuständigen Fachgesellschaften für psychodynamisch orientierte Einzel- und Gruppenpsychotherapie – d.h. die DGPT und die therapeutischen Sektionen des DAGG – zu bitten, einen Fachkongress zu dieser Frage zu organisieren. Darauf ha-ben wir uns schließlich im September 2002 geeinigt; alle Vorstände der DAGG-Sektionen, der DGPT und des BAG waren bei dieser Entscheidung vertreten. Aller-dings wünschten sich die Fachgesellschaften einmütig, dass der BAG die Tagung ausrichte.

 

Es ging bei dem Kongress also um die Frage, welche Bedeutung die tiefenpsycho-logisch fundierte Gruppenpsychotherapie hat: Ist sie eine „mindere“, eine an-dersartige oder eine der analytischen Gruppenpsychotherapie vergleichbar be-deutsame gruppenanalytische Psychotherapieform? Ebenso geht es um die Rolle und Bedeutung der analytisch orientierten Gruppenpsychotherapie in der ambulanten und stationären Psychotherapie.

 

Die Ergebnisse des Kongresses werden in die laufende berufspolitische Diskussion und Entscheidungsfindung eingebracht. Die Implikationen für die Kassenregelung für Gruppenpsychotherapie sind noch völlig offen – die Brisanz des Themas unter den Berufs- und Fachverbänden war ja auch der Anlass für diesen Kongress des BAG in Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften DAGG und DGPT gewesen.

 

Danken möchte ich in diesem Zusammenhang besonders der DGPT, die keine Gele-genheit versäumt hat, den Kongress und das Thema zu propagieren, insbesondere Herrn Dr. Gerlach, dem damaligen 1. Vorsitzenden sowie Frau Springer, die heutige 1. Vorsitzende der DGPT, die beide selbst in dieser Frage sehr engagiert sind.

 

Vielleicht werden sich einige unter Ihnen fragen, wie ein so kleiner Verband wie der BAG eine solche Tagung überhaupt organisieren kann. Ohne Übertreibung kann ich sagen dass Stephan Heyne, Kurt Höhfeld und ich in einem Team zusammen gearbei-tet haben, das wir alle als sehr effektiv, gut und lustvoll – der Schweizer würde sagen: speditiv – empfinden.

 

Die einzelnen Vorträge werden demnächst veröffentlicht. Deshalb seien hier nur kurz die Themen genannt. Der Kongress begann am Samstagmorgen mit einem grund-sätzlichen Referat von Felix de Mendelssohn aus Wien. Er klärte nach den Aus-gangspunkten der Gruppenanalyse die Möglichkeiten der Veränderungen des Set-tings und deren Implikationen. Ganz anders der Vortragsstil und Inhalt der vielen Be-funde von Volker Tschuschke aus Köln: Er machte anhand von Compliance, Wirkfak-toren und spezifischen Behandlungskonzepten deutlich, dass Kurzzeit-Gruppenpsychotherapie keine Konkurrenz für Langzeitgruppen sind, sondern das Behandlungsspektrum für Gruppenpsychotherapie erweitern. Die beiden Referate wurden von den Kongressteilnehmern in der anschließenden Diskussion nicht als Gegensätze, sondern als wertvolle Ergänzungen gewertet.

 

Hanna Reinhardt-Bork aus Berlin befasste sich am Samstagnachmittag ausführlich und einfühlsam mit der Regression in tiefenpsychologisch und analytisch geführten Gruppen, Rolf Haubl kam unter dem Thema „Reinheit und Gefährdung: Gruppenana-lyse auf dem Weg zur Realitätstauglichkeit“ mit den Unterkapiteln ´Verwissenschaftlichung professionellen Handelns`, ´Settinggestaltung`  und ´Kritik des autonomen Subjekts` zu einer radikalen Kritik des Individualismus-Konzepts, das sich aus dem Matrix-Konzept der Gruppenanalyse herleitet. Am Ende entwarf er die Vision eines Internet-basierten Netzwerks für Gruppentherapie-Interessierte. In sechs verschiedenen Arbeitsgruppen am Vormittag wie am Nachmittag wurden die Diskus-sionen und Ergebnisse vertieft.

 

Wichtige Bausteine für das Ergebnis des Kongresse ergaben die beiden Vorträge am Sonntagmorgen: Andreas Dally und Paul Janssen legten besonderen Wert auf die Ergebnisse auch der stationären Gruppenpsychotherapie.

 

Den Abschluss des Kongresses bildete eine Panel-Diskussion in Form des fishbowls. Teilnehmer: Felix de Mendelssohn, Ebraim Ardjomandi, Paul Janssen, Heribert Knott, Andreas Dally, Roland Heinzel, Barbara-Rose Legeler (Mitschrift). Gegenstand der Diskussion sollte noch einmal die Frage sein, ob die tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie eine „mindere“ oder eine der psychoanalytischen Gruppentherapie vergleichbare Rolle in Klinik und Praxis spielt. Daraus folgt die Frage, ob die Behand-lungskontingente so wie in der psychoanalytischen Gruppentherapie bemessen wer-den sollen oder nicht. Im Kommentar Faber/Haarstrick wird darauf verwiesen, dass der Unterschied nicht plausibel ist. Dies betonen auch Tschuschke und Enke. Hinzu kommt, dass es nicht nur zwei psychodynamische Gruppentherapien gibt- um ein adaptives Setting zu bieten, müssen neue Formen der Gruppentherapie einbezogen werden. Ich verweise auf den Vortrag von Paul Janssen, in dem er sagte, dass die Technik zu den Behandelten wie zu den Behandelnden passen sollte. Herr Janssen hatte seine Position benannt: interaktionelle Reinszenierungen haben verschiedene Ebenen und Abstufungen. Die Psychoanalyse wird ohne Versorgungsauftrag nicht überleben. Es geht um Methoden und Rahmenbedingungen. Er wünsche der Praxis manche Bedingungen um bestimmte Patienten überhaupt behandeln zu können. Es sollte ein Kontingent für Gruppe geben, die Therapie sollte man den Fachleuten über-lassen und nicht der Gebührenordnung. Roland Heinzel verwies auf seinen Artikel: am wichtigsten sei, dass der Blickwinkel unterschiedlich ist zwischen der Haltung in der Ausbildung und  der konkreten Pragmatik in der Anwendung. Die bisherige be-rufspolitische Strategie fördere eine kontraproduktive Vorstrukturierung. Herr Willnow gab zu bedenken, auch tiefenpsychologische Gruppentherapie ohne psychoanalyti-sche Identität könne Vielfalt anbieten. Herr de Mendelssohn bemerkte, es gehe nicht um „hehre Ziele“ der Psychoanalyse. Ausbildung diene nicht der Identifikation mit der Lehre, sondern der Selbsterkenntnis, der Internalisierung der unterschiedlichsten As-pekte, Ziel sei, sein eigenes Unbewusstes zu kennen. Barbara Legeler plädierte da-für, die Ausbildung solle die Motivation, psychodynamisch zu denken, fördern, da zu-nehmend manualisierte Vorgehensweisen gelehrt werden. Herr Janssen fragte, ab wann etwas Gruppentherapie nach der „kleinen“ Ziffer ist, und wann „übendes Verfah-ren“ – Inszenierungen zum Beispiel, dies sei eine Aufgabe für die Gremien. Frau Springer bemerkte zum Vortrag von Herrn Janssen, die Formulierung „die analyti-schen Gruppenpsychotherapien“ sei sehr anregend: man solle aufhören, in Hierar-chien zu denken, es gebe verschiedene Formen, das sage auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats am 23.03.. Wir sollten fragen: wie unterscheidet sich analytische Gruppentherapie von anderen und uns nicht einsperren in Versorgungs-strukturen. Und wir sollten eine entsprechende Arbeitsgruppe gründen.